Über das Grenzen setzen und „beim Anderen lassen“

Über das Grenzen setzen und „beim Anderen lassen“

Eine Frage, die in meinen Beratungen oder Gesprächen immer wieder auftaucht, ist die nach Strategien für eine bessere Abgrenzung.

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Hochsensible Menschen haben oft das Gefühl, sie nehmen alles um sich herum auf wie ein Schwamm. Im Umgang mit anderen Menschen kann das sehr anstrengend sein, denn es scheint unmöglich, sich von den Stimmungen oder den Gefühlen anderer Menschen abzuschotten.

Als würde die Atmosphäre in einem Raum direkt in sie eindringen, fühlen sich viele HSP beispielsweise nach einem Tag unter vielen Menschen merkwürdig ausgelaugt und gleichzeitig angefüllt mit Anspannung und eher unangenehmen Energien. Was kann man also als hochsensitive Person tun, um sich gut abzugrenzen?

7 Tipps, die Sie beim Grenzen setzen unterstützen können:

Bei den folgenden Tipps gehe ich von den alltäglichen und meist unbewussten Grenzüberschreitungen aus, die wir alle hin und wieder erleben oder selbst praktizieren. Damit sind nicht gewalttätige, zerstörerische Grenzüberschreitungen gemeint! Sollten Sie massiven Verletzungen Ihrer Würde und körperlichen oder seelischen Integrität ausgeliefert sein, ist dringende und sofortige Hilfe nötig! Wenn Sie Opfer körperlicher und/oder psychischer Gewalt sind, gilt nur eines: Sich sofort dem Einflussbereich des Täters / der Täterin zu entziehen und Schutz zu erhalten. Notrufnummern finden Sie z.B. hier.

1. Damit persönliche Grenzen von anderen respektiert werden, ist es wichtig, die eigenen Grenzen überhaupt zu spüren und anzuerkennen. Es ist normal, dass unterschiedliche Menschen auch unterschiedliche Bedürfnisse haben. Ein erster Schritt kann sein, sich die Erlaubnis für das eigene Bedürfnis nach Grenzen zu geben, auch wenn andere Menschen anders empfinden. Persönliche Grenzen sind höchst individuell!

 

2. Wenn ein Mensch das Empfinden hat, dass seine Grenzen überschritten werden, kann man davon ausgehen, dass er/sie sich in dieser Situation schon viel früher unbewusst auf kleinere Grenzüberschreitungen eingelassen hat. Hochsensiblen Menschen fehlt oftmals der Zugang zu diesen kleinen „Zwischenschritten“. Entweder, weil sie schon früh von ihrem Umfeld in ihren Bedürfnissen nach Rückzug oder Integrität übergangen oder bagatellisiert wurden oder weil sie gelernt haben, dass sie mit diesen Bedürfnissen alleine dastehen und diese deshalb unterdrückt haben. Sie müssen also erst wieder lernen, auf ihre eigene Wahrnehmung zu vertrauen. Das geht zum Beispiel, indem Sie achtsam für Ihre Körperempfindungen sind. Der Körper ist ehrlicher als unsere Gedanken, denn dort drücken sich Gefühle authentischer aus. In unserem Kopf zeigt sich hingegen oft der innere Zensor und Kritiker, der uns dazu auffordert, uns „nicht so anzustellen“ oder uns permanent mit anderen in Vergleich setzt. Dem sollten wir liebevoll, aber konsequent begegnen – siehe Punkt 1 – und auf unsere Körperwahrnehmungen vertrauen und danach handeln. 

 

3. Die meisten Menschen überschreiten Grenzen nicht absichtlich. Für Hochsensible ist es besonders wichtig, sich klarzumachen, dass eine äußere Grenzüberschreitung oft auch etwas mit der eigenen unklaren Grenzziehung zu tun hat. Manchmal laden wir, ob bewusst oder unbewusst, unsere Mitmenschen förmlich ein, uns sehr nahe zu kommen – und werden sie dann nicht mehr „los“. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch jemanden wieder freundlich aus unserem „Seelenhaus“ heraus bitten dürfen. Jemanden auch tatsächlich einmal darum zu bitten, eine Grenze zu respektieren, hat nichts mit Unhöflichkeit zu tun, sondern mit Selbstliebe.

 

4. Seien Sie auch ehrlich mit sich selbst: Welche guten Gefühle löst es möglicherweise auch in Ihnen aus, dass Sie Ihre Mitmenschen so gut „erspüren“ können? Das Bewusstsein dafür hilft uns dabei, dem Gefühl des Ausgeliefert Seins entgegen zu steuern und Verantwortung für unsere unbewussten Beweggründe zu übernehmen, uns oft mehr einzulassen, als uns vielleicht gut getan hätte. Überprüfen Sie, wie Sie Ihren guten und einfühlsamen Fähigkeiten nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst einsetzen können.

 

5. Eine Grenze kann sowohl als Schutz nach außen errichtet als auch im Inneren stabilisiert werden. Je liebevoller und selbstbewusster wir zu unseren inneren Bedürfnissen stehen, desto stärker transportieren wir auch klare Grenzen nach außen. Gehen wir respektvoll und achtsam mit uns selbst um, dann tun das in der Regel auch andere. Gefühle sind die Richtschnur für die Wahrnehmung unerfüllter Bedürfnisse – allen voran die Wut. Sorgen Sie für die Erfüllung Ihrer Bedürfnisse, dann müssen die unangenehmen, energieraubenden Gefühle sich auch nicht mehr einem Ausmaß zeigen, das Sie quält.

 

6. Hochsensible Personen (HSP) tun gut daran, immer wieder gut nachzuspüren: Gehört das gerade zu mir oder zu Dir? Eine Strategie ist, sich bildlich vorzustellen, alle Anspannung und unangenehme Gefühle (zum Beispiel eingeschlossen in einen federleichten Luftballon) wieder zurück zu geben. Oder nach unten, in die Erde, abfließen zu lassen. Auch als feinfühliger Mensch müssen Sie nicht alles tragen, was ihr Gegenüber aussendet. Sie dürfen und sollten sich schützen.

 

7. Zu guter Letzt: Wenn wir oft den Eindruck haben, dass unsere Grenzen überschritten werden und wir uns dem machtlos ausgeliefert fühlen, ist es wichtig zu erforschen, was der Ursprung dieses Gefühls sein könnte. Je nachdem, wie belastend das für Sie ist, kann es auch sinnvoll sein, dies therapeutisch zu bearbeiten.

 

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